Die Delfin-Tänzerin

Die Delfintänzerin (Lebensfreude-Lebenskunst)

Langsam ziehen sie ihre Runden im azurblauen Gewässer. Es ist früh am Morgen und die ersten Sonnenstrahlen erfüllen die Gischt des Ozeans.
Sie wollte sich ihren Kindheitstraum erfüllen, zumindest wie bisher immer in ihren Gedanken. Einmal mit Delfinen schwimmen und auf ihren Rücken zu tanzen.
Schon dieses Element Wasser birgt einerseits etwas abenteuerlich Geheimnisvolles und andererseits viel Beruhigendes.
Und so stellt sie sich vor, ein Delfinweibchen an ihrer Rückenflosse zu packen und sich von dieser durch diese geheimnisvolle Welt ziehen zu lassen, um mit den Delfinen zu tanzen.

Kapitel I - Kindheitstraum

Dieser Traum war ihr als Mädchen noch gar nicht so bewusst geworden, doch mit den Jahren der Pubertät und bis heute, kehrt der Traum immer wieder zurück.

Schon in der Schule in Biologie war sie von diesem schlanken, anmutigen Körperbau der Delfine begeistert. Auch, dass diese Lebewesen sehr intelligent sein sollen, hatte sie schon damals fasziniert. Und so verschlang sie förmlich jeden Bericht und jede Dokumentation über diese Tiere.

Kaum hatte sie die Schule abgeschlossen und auch die Lehre beendet, setzte sie sich das Ziel den Führerschein zu machen und ein eigenes Auto zu erwerben. Dieses Ziel vor Augen und gleichzeitig im Hinterkopf den Gedanken gefasst, mit dem eigenen Auto einmal nach Griechenland in ihre zweite Heimat zu fahren, ließ sie hoffen sich ihren Traum vom Tanz mit den Delfinen im Meer zu verwirklichen.

Mit Unterstützung ihrer Großmutter mütterlicherseits konnte sie auch bald ein Auto ihr Eigen nennen, obwohl sie die Führerscheinprüfung noch nicht absolviert hatte. Schwierig gestaltet sich dies in den Siebzigern, wo doch zu dieser Zeit jede Frau dem Rollenbild der Gesellschaft entsprechen sollte. Was wollte ein Mädchen denn auch mit einem Führerschein und einem eigenen Auto, wo doch eine Frau sich an den Herd begeben solle, um dort Kinder und Ehemann ausreichend zu versorgen und zu bemuttern. Diese Meinung weckte auch in ihr die Bereitschaft zur Revolution und der Schrei nach Gleichberechtigung drang zwar nicht oft nach Außen, wurde jedoch immer in ihrer Seele abgehandelt.

Damals schon war sie anders als die meisten Mädchen. Schon alleine ihr Aussehen passte so gar nicht in den Freundeskreis den sie zu Schulzeiten hatte. Ihr Teint war eher dunkler, als der ihrer Klassenkameradinnen und ihre Haare die lockig und dunkelbraun ihr Gesicht umrahmten, waren jeden Tag so widerspenstig wie sie oft teilweise selbst war. Irgendwie zerrissen kam sie sich vor. Einesteils fühlte sie sich in ihrer Umgebung zwar wohl und eingebunden, andererseits jedoch spürte sie eine Sehnsucht nach dem Meer und der Wärme der Sonne. Bis sie dies alles verstand brauchte es eine geraume Zeit, wieso diese Sehnsucht immer vorhanden war und ist.

Auch ihre Lehrkräfte konnten mit ihrer burschikosen Art wenig anfangen und so blieb es ihrer Mutter nicht erspart, immer wieder bei den Elternsprechtagen in der Schule Worte zu vernehmen wie, ….. Ihre Tochter kann wenn sie will, doch sie will nicht und auch die Aussage ….. sie hat eine blühende Phantasie, waren bei den Gesprächen mit den einzelnen Lehrerinnen für ihre Mutter daher nichts Neues mehr. Auch die Mutter ließ es sie immer wieder wissen,…… eigentlich hättest du ein Bub werden sollen. Kein Wunder daher, dass sie sich so burschikos gab und sich mehr für Technik und Männerberufe interessierte.

Als Außenseiterin von ihren Mitschülerinnen und Mitschüler behandelt und auch von den Lehrerinnen und Lehrer immer wieder gefordert, sich doch endlich einmal anzupassen, machte sie jedoch den Schritt in die schwierigere Richtung, sich dem zu widersetzen und ihre innerliche Revolution auch nach außen zu bringen.

Heute weiß sie, dass ihr diese Revolution und blühende Fantasie immer neue Perspektiven gezeigt hatte und sich dadurch auch viele Türen und Wege öffneten, die anderen oft verborgen blieben. So auch der Wunschtraum mit Delfinen zu schwimmen und somit revoltierte sie gegen die Meinung der Gesellschaft, wie ein junges Mädchen mit 18 Jahren zu revoltieren versucht und sie nahm sich die Freiheit und verweilte noch oft in Gedanken bei den Delfinen im Meer.

Kapitel II - Rückblende 30 Jahre

Hochzeitsreise Griechenland – Camping in Kato Gatzea bei Volos

Als junge Frau auf ihrer Hochzeitsreise hatte sie unerwartet die Möglichkeit, mitten in Griechenland an einem Strand das Treiben einer ganzen Gruppe Delfine zu beobachten und doch war sie zu mutlos, sich dem Rudel anzuschließen und mit ihnen zu schwimmen und tanzen. Es war zu unerwartet, diese Begegnung und völlig überrascht stand sie nur am Ufer und folgte der Gruppe von Delfinen bis sie am Horizont mit der untergehenden Sonne verschwanden.

Der Tag hatte es in sich gehabt, war er doch nicht so einfach verlaufen wie man hätte annehmen können. Auf der Fahrt mit ihrem Ehemann und einem befreundeten Ehepaar vom Campingplatz in Kato Gatzea, zu der nahegelegenen Stadt Volos, hatte sich alles plötzlich zugespitzt.

Die Sonne meinte es an jenem Tag im September noch ausgesprochen gut mit circa vierzig Grad im Schatten und niemand konnte sich mehr erinnern, wer diese Idee eigentlich hatte, um die Mittagszeit einkaufen zu fahren. Eveline ihre Freundin nahm am Rücksitz mit ihr Platz, während ihr Mann Herbert am Beifahrersitz neben Alfred, oder *Fredl* wie wir ihn kosten, es sich im heißen Auto so gut es ging bequem machte. Zur Erfrischung wurden schleunigst die Fenster und das Schiebedach geöffnet um nicht gleich einen Hitzeschlag zu erliegen.

Gleich nach dem ersten Teil der Strecke in Richtung Volos geschah es dann. Durch die geöffneten Fenster des Wagens flog ein riesengroßes Etwas in den Innenraum und sie hatte bemerkt, dass diese ihren Unterarm gestreift hatte. Noch nicht ahnend worum es sich hierbei handelt, blickte sie hinter sich, vermutete einen Käfer oder eine Biene, sah jedoch nichts und plötzlich, als sie es sich im Rücksitz wieder bequemer machen wollte, biss dieses ca. 8 cm lange, mit gelben Flügeln bestückte Insekt, -das sie nicht kannte-, zu.

Ein Schmerz in der rechten Nierengegend, gegenwärtig nahm sie mit ihrer Hand das Insekt, zog es von ihrer Haut und warft es beim Fenster hinaus. Fredl blieb am Straßenrand stehen, ihr Mann Herbert sah sich die Bisswunde an und da es nicht erklärbar war was für ein Insekt es schließlich ist, setzten sie die Fahrt in die Stadt weiter fort. Diesmal jedoch fuhr ihr Mann Herbert und Fredl saß am Beifahrersitz.

Besorgt um sie fuhr Herbert sie gemeinsam mit den Freunden zu der nächsten Apotheke die sich auf dem Weg befand, doch um die Mittagszeit ist es schwierig in Griechenland Menschen in der Stadt anzutreffen. Sie saß allein im Wagen als die Freude ausschwärmten um Hilfe zu holen. Innerhalb von zehn Minuten hatte sie plötzliche Ausfallserscheinungen des linken Beines und mit Atemproblemen zu kämpfen. Ihr wurde schlecht und sie konnte nur mit Mühe versuchen den Wagen zu verlassen.

Im nächsten Augenblick war ihr Mann Herbert mit einem Griechen zur Stelle. Dieser hatte die ratlos wirkenden Freunde bemerkt, als sie vor der geschlossenen Apotheke nach Hilfe Ausschau hielten. Der Grieche gab ihnen zu verstehen, dass er Zugang zu der Apotheke hätte und kam nach einigen Minuten mit einer Salbe zurück, die er ihr einmassierte. Ein weiterer Passant bemerkte die aufgeregten Freunde und Herbert und geleitete sie zu einem nahegelegenen Hospiz. Dort angekommen war es ihr nicht mehr möglich den Weg bis zur Ambulanz selbst zu gehen und so setzte Herbert sie kurzer Hand in einen Rollstuhl der am Eingang des Hospizes stand.

Es wurde nicht lange mit dem Ambulanzarzt verhandelt, obwohl die Kommunikation in einer Mischung aus Englisch, Griechisch und Deutsch recht schwierig war. Eine Krankenschwester brachte sie in den Untersuchungsraum und deutete ihr, sich auf das Bett zu legen. Der Arzt erklärte noch kurz, dass es sich scheinbar um eine Pferdehornisse gehandelt haben muss und sie nun mit Gegengift versorgt werden würde. Allerdings kannte er ihre Phobie vor Injektionen nicht.

Tapfer ließ sie sich auch nichts anmerken als die Schwester mit der ca. 15 cm langen und 2 cm im Durchmesser gefüllten Viole in der Hand sich über sie beugte. Langsam rann das Gegenmittel in ihre Adern und sie bemerkte, wie es ihr eigenartig komisch wurde. Jedoch ließ sie sich auch dies nicht anmerken und versuchte sich nach der verabreichten Injektion am Bettrand aufzusetzen, um mit dem Arzt die Kommunikation weiterzuführen. Doch zu dem begonnen Wortwechsel auf Englisch konnte sie nicht mehr viel dazu beitragen, denn als sie die Beine überkreuzte und den Kopf in die aufgestützte Hand legen wollte, versagte ihr Kreislauf nun komplett und sie rutschte mit dem Kopf entlang der Handfläche und fiel kopfüber auf den harten Betonboden.

Nach einer viertel Stunde kam sie wieder zu Bewusstsein, nichts ahnend was eigentlich passiert war. Ihre Freundin und ihr Ehemann hatten den Vorfall von der Türe aus beobachtet, doch es ging alles so schnell, dass sie sie nicht auffangen konnten. Danach waren sie darum bemühten sie wieder wach zu bekommen. Plötzlich bemerkte sie eine Taubheit der linken Gesichtshälfte und als sie ein Lächeln ansetzen wollte verspürte sie einen starken Schmerz des linken Jochbeins. Ein schöner Schaden am zweiten Urlaubstag eine Jochbeinprellung sich auf der Hochzeitsreise zuzuziehen und das wegen einer Hornisse, die durch den Sog des Fahrzeuges in den Innenraum gelangte.

Und nun stand sie da, im Sonnenuntergang und blickte dem Treiben des Delfinrudels zu und wäre so gerne im Wasser bei ihnen, doch die Umstände der vorangegangen Stunden ließen es nicht zu, dass sie diesmal ihren Traum verwirklichen konnte, so blieb er bis zum heutigen Tag in ihren Gedanken so als wäre sie damals im Meer gewesen und hätte das Delfinweibchen doch angefasst.

Kapitel IV - Spaziergang des Loslassens

Tränen der Seele
Tränen der Seele

Es regnet und ich beginne leisen Schrittes mich auf meinen Spaziergang des Loslassens seelisch einzurichten. Der Tag hat es in sich und er ist noch nicht zu Ende. Angefacht durch ein Workout mit meiner Schulter, kann ich trotz Regen mich nicht zurückhalten und muss diesen Weg gehen, laufen …. Nein, rennen werde ich nicht, dazu fehlt mir die Kraft.

 

Meine Seele brennt wie loderndes Feuer. Ich kann keine klaren Gedanken fassen und bin nicht mit mir im Reinen. Zuviel ist die vergangenen fünf Monate wieder geschehen, so dass ich, nicht ich bin.

 

Die Musik dröhnt noch immer aus dem Laptop „The Darkside!“ jaaaaaaaa die dunkle Seite kommt wieder zum Vorschein. Langsam beginne ich mich zum Walken fertig zu machen. Es regnet noch nicht. Die Laufschuhe, die Alten, in welchen ich den ersten Lauf mühelos geschafft hatte, haben meine Zustimmung gefunden. Regenjacke? Nein…. ich trage das Leibchen mit der Glitzerschrift wo in der Quintessenz MORE zu lesen ist, egal, mich wird niemand sehen. Wer geht schon bei diesem Wetter Joggen oder Walken? Niemand ausser mir, denke ich mir. MORE ………..tja ………… more glamour, more shine, more magical chic, more love, more diamants, more angel, more fashion, more sexy look, more wonder, more more more halt eben.

 

Ich brauche dass, …. Jetzt …. Es muss sein!

 

Schnell packe ich meine Bauchtasche mit Schlüssel, Fahrkarte, etwas Geld, meinen Führerschein indem auch die Blutgruppenbestimmung enthalten ist, wer weiß schon, was einem passiert in den nächsten Stunden?

 

Meine Zigaretten samt Feuerzeug sind mit dabei und …. Ja ich nehme mein Handy mit, obwohl ich eigentlich nicht damit rechne, dass ich noch Anrufe bekomme.

 

Meine Füße tragen mich rasch zum Beginn des Naturlehrpfades, wo ich anfänglich mit einem leichten Laufschritt starte. Keine Kondition! Nach 500 Meter holt mich die vergangene Zeit ein. Nichts hast du gemacht, nichts für dich Mädl, du wirkst ausdruckslos, bist nicht mehr du selbst. Jaja deswegen muss es sein, jetzt Laufen, Walken, Gehen, Ruhe finden, einfach Verarbeiten.

 

Die ersten 500 Meter kommen mir wie endlos lange Kilometer vor und ich muss mich selbst zur Version des Gehens zwingen. Es ist nicht mehr weit, das Schloss, ich sehe bereits den neu angelegten Park. Mich überholt ein Läufer,---- es gibt nicht nur mich, sondern auch andere, denen der Regen nichts auszumachen scheint. Mittlerweile hat es ganz leicht zu regnen begonnnen und schon habe ich den Park vor dem Schloss durchgangen. Jetzt kommt der leichte Anstieg des Waldes. Witzig dieses kleine Stück von einer Ansammlung von Bäumen als Wald zu titulieren.

 

Während ich den kleine Anstieg überwunden habe, bin ich mittlerweile mit meinem Atem etwas ruhiger geworden, da ich weiß, dass diese sportliche Aktion mir gut tut.

 

Sport ist mein Leben gewesen, hab mich oft quälen müssen und doch hat er mir so viel an Freude und Spaß bereitet. Die einzelnen Stationen in meinem Leben mit Sport ziehen an mir vorbei, die Atomiaden in Jülich, Budapest, Petten und Karlsruhe sowie Grenoble und die vielen Jahre der Landesliga im Volleyball, als ich mir eingestehen muss, dass ich lange nicht mehr so topfit bin, wie in den vergangenen Jahren.

 

Mittlerweile bin ich bei der Pferdekoppel angekommen, wo heute keine Pferde zu sehen sind. Unlängst als ich da vorbei ging, konnte ich dem jeweiligen täglichen Training der Pferde zusehen. Es regnet stärker, daher auch keines der Pferde auf der Koppel.

 

Vorbei führt es mich an der neu entstehenden Gebäudeflucht der Bestattung. Es wird ein gewaltiger Bau werden und ich erinnere mich auch gleichzeitig an die Zeit, wo ich in meinem damaligen Baubüro für mehr als 30 Diplomingenieure und Ingenieure zuständig war und gearbeitet habe. Viel gearbeitet, vielleicht möchte man sagen zu viel. Doch es war der Preis den ich bezahlte meinen Sohn alleine aufziehen zu können.

 

Nun bin ich an der Hauptstrasse angelangt und drücke automatisch an der Ampel den Knopf um hinübergehen zu können. Der Straßenverkehr schiebt sich immer noch in beide Richtungen und ich gehe zu der zweiten Ampel, dann überquere ich die Straße, nachdem endlich das kleine grüne Männchen mir zeigt, dass ich gehen kann.

 

Ich befinde mich nun vor dem Haupteingang des Friedhofes, einer der größten in Europa und sehe wie mehrerer Schüler durch das Tor schlendern im Regen. Mich packt mein Ergeiz und ich versuche wieder einige Meter zu laufen, es regnet noch immer.

 

Jetzt biege ich in die erste Seitenstraße am Friedhof und komme an den neu sanierten Mausoleen vorbei, die mir irgendwie fremd vorkommen. Die letzten Jahre waren sie eher grau in grau und nicht so wie jetzt, plötzlich in einem hellen rosaroten backziegelartigen Flair.

 

Der Regen hat nun voll eingesetzt und meine Kleidung wird durch die Tropfen immer mehr durchtränkt. Eine Gärtnerin begegnet mir und ich bemerke, dass auch sie die Ruhe weg hat im Regen so wie ich. Ich beeile mich nicht, genieße jeden Schritt und betrachte die trockenen Stellen, die von den Bäumen abgedeckt dem Regen keinen Durchlass bieten.

 

Schon befinde ich mich beim Ausgang des Parks der Ruhe und Kraft und überlege kurz, ob ich diesmal wohl alles verkehrt aufrollen soll. Nein, es widerstrebt mir und ich gehe die restlichen 80 Meter noch bis zum Eingang.

 

Inzwischen habe ich mich weiter beruhigt und kann ein langsames Wohlbefinden in meiner Bauchgegend verspüren. Eigenartig kommt es mir vor, als ich mich so wahrnehme, dass es doch tatsächlich wieder ein männliches Wesen geschafft hatte, mich komplett aus meiner Reserve zu locken. Dachte ich doch schon, einen Schritt weiter zu sein. Mich nicht mehr zu verlieben, da ich doch weiß, dass es mir nicht gut tut, meiner Seele nicht gut tut …. und doch ist es wieder geschehen.

 

Jetzt betrete ich den Park, indem ich das erste „Torii“ (japanisch „Vogelsitz“) den Eingang passiere. Ich wundere mich, dass diesmal der Weg so *neu* sich mir präsentiert, gegenüber den letzten Besuchen vor über einem halben Jahr.

 

Plötzlich regt sich in meinem Bauchgefühl Unbehagen und ich überlege, ob es wohl doch noch nicht der richtige Zeitpunkt gewesen sei, hier meinen Kummer loszulassen. Ich gehe ein Stückchen weiter in Richtung Kathedrale und bemerke ein Pärchen, vermutlich Touristen, die sich den Feuerplatz genauer ansehen. Nun bin ich bei der Kathedrale angelangt, es schüttet und ich finde einen Platz an der Umrandung des Opferplatzes. Plötzlich drängen sich mir mehrere Gedanken gleichzeitig auf. Ich versuche sie, einen nach dem anderen zu bearbeiten und werde immer schlüßiger, dass es kein Happy End von meiner Liebesgeschichte wohl geben wird.

 

Zu eingefahren sind wir wohl beide, trotz meinerseitigem Bemühen ist in den fünf Monaten eher mehr Distanz entstanden, als Nähe. Wo stehe ich jetzt? Mir wird bewußt, dass ich plötzlich mitten im Labyrint der Kathedrale stehe und ich erinnere mich an meine Ausbildung und die Exkursion, die ich damals vorschlug, diesen Park zu besuchen.

 

Damals,…… tja damals konnte ich mich nicht bewegen, konnte kaum einen Schritt vor den anderen setzen. Es war Juli so wie heute, doch es war heiß und die Sonne hatte noch viel Kraft am späten Nachmittag ,als wir meine ehemaligen Kolleginnen mit meiner Ausbildnerin gemeinsam den Park betraten. Meine Nieren schmerzten gewaltig von den an einem der Vortage erhaltenen Tritten eines stark betrunkenen Menschen mit dem ich eine geraume Zeit gemeinsam verbrachte, dem ich zu direkt meine Meinung sagte, weil er mein Freund war und es wissen wollte, was ich denke und dachte und mich um meine ehrliche Meinung bat. Tja so zeigt einem das Leben, wie es ist und bewieß mir, dass was ich damals nie begreifen konnte, nämlich wie Frauen bei ihren brutal schlagenden Männern nur verbleiben konnten aus Angst. Ich bin nicht geblieben aus Angst, doch ich bin geblieben bei ihm, habe Anzeige erstattet und wurde belächelt. Man nahm mich wie so oft schon vorher nicht ernst. Ja, natürlich war Alkohol im Spiel, ja natürlich auch von mir, ich hätte mir solche Aussagen im nüchternen Zustand sonst nie getraut zu sagen!

 

Doch dass ein Mensch, der vor Stunden sagte, wie sehr er mich liebt, unerwartet so ausrasten kann und mich an den Haaren packte und in die Knie zwang, mich hinter sich herschleifte, wie zu Steinzeiten, über die Glasscherben durch das ganze Lokal bis hinaus vor die Tür, mich dort vor sich aufstellte und mir drei Ohrfeigen verabreichte, bis ich bei der Dritten in die Knie sank und auf dem Betonplatz mich vor weiteren Angriffen schützte, indem ich mich zusammenkauerte, was ihn weiter nicht davon abhielt, mir mit seinen Füßen Tritte in die Nieren versetzte und mich dort liegen ließ. Nichts bei mir habend, schleppte ich mich damals mit meiner letzten Kraft und dem Willen, ihn nicht die Genugtuung zu geben, mich gedemütigt zu haben in sein Lokal, wo ich kellnerierte und holte meine Tasche mit meinem Schlüssel und so wie ich war, verschwand ich mit aufrechtem Gang. Am nächsten Tag im Krankenhaus sagten die Ärzte zu mir, entweder machen sie die Anzeige oder wir machen diese. Es blieb mir gar nichts anders mehr übrig und so mußte ich einen ganzen Fragenkatalog der Polizei über mich ergehen lassen. Endeffekt, dass der Angreifer glaubhaft bei der Polizei erklärte, dass ich psychisch nicht okay wäre aufgrund des ihm erzählten Getratsches einiger Möchtegernbesserwisser.

 

Was Menschen doch so alles einfällt, um ihre eigene Haut retten zu wollen, ist eine Macht, die auch ich mittlerweile nicht mehr unterschätze. Einige Monate später kämpfte der gleiche Mann mit einem grausamen Kazinom im Gaumenbereich. Konnte nicht mehr normal Sprechen und hatte 35 Tage mit Bestrahlungen und Chemotherapien zu kämpfen…. und…. Ich vergab ihm, vergessen konnte ich nicht, aber vergeben. Jeden Tag der 5 Wochen stand ich an seinem Krankenbett, macht mit ihm jede Bestrahlung täglich mit und versuchte ihn, so gut ich konnte, sein Lokal zu führen und zu unterstützen während seiner Abwesenheit, es war für mich selbstverständlich für einen Freund, den ich liebte, da zu sein.

 

Wie oft ich nun in den Park der Ruhe und Kraft seit jenem Vorfall schon gelaufen bin und versucht habe loszulassen, kann ich nicht mehr sagen, es waren jedoch sicher einige Male.

 

Vor Wochen habe ich ihn nach über 4 Monate wieder getroffen. Es war erschreckend für mich zu sehen, wie schlecht er aussah und trotz dem wir gemeinsam etwas trinken gingen, machte er keine Anstalt auch nicht nach meiner Frage, mich mit dem Auto die zwei Kilometer, die es noch bis zu mir nach Hause gewesen wären, zu bringen. Aussage seinerseits…. Ich habe dort nichts zu tun! Es ist unökonomisch, du hast die U-Bahn hier in nicht mal 1 Minute erreicht!!! Es war sinnlos mit ihm darüber zu diskutieren und so habe ich mich wieder für die nächste Zeit nichts sagend verabschiedet.

 

Meine Gedanken kehren zurück zum Park der Ruhe und Kraft und dass mich heute eine andere Geschichte beschäftigt, die ich loslassen muss, um nicht daran kaputt zu gehen.

 

Es ist ja nichts passiert, ausser dass ich wiedermal etwas anzweifelte, was meiner Meinung nach nicht funktioniert. Ich sagte in etwa, ich könne mir nicht vorstellen, dass man sich über Internet ineinander verlieben könne und dass man sich nicht sieht über ein Jahr lang und trotzdem sich liebt. Tja nun steh ich selbst da, mit diesem ungelösten Phänomen und nun?

 

Ich verlasse nun die Kathedrale und schlendere zum Platz der Kommunikation. Der Brunnen hatte es mir in den letzten 8 Jahren immer wieder angetan. Alleine das leise dahinplätschern des Wassers, dass von einer Pumpe betrieben innen durch den Stein gehoben wird, beruhigt mich immer wieder. Dann die Lemiskaten, die das Wasser nach einem geformten Herz in Achterschleifen rinnen lassen, wie die Unendlichkeit der liegenden Acht. Der Auslauf des Gewässers ist in einem kleinen Rinnsal gestaltet, an dem sich sonst auch schon mal Enten erfreuen. Heute nicht, heute stehe nur ich vor dem Brunnen im Regen und ich erinnere mich, hier schon so manches Gespräch mit mir fremden Menschen gehalten zu haben.

 

Mich interssiert heute weder der Feuerplatz (für mich um dort die Liebe loszulassen) noch der Sternzeichenkreis aus Findlingen aus dem Waldviertel. Dort wäre mein auserwählter Stein für den Steinbock, doch da alles durchnäßt ist, entscheide ich mich, den kürzesten Weg zur Doppelaxt, dem Weg der Entscheidung zu gehen.

 

Die herrliche Plantane, die noch vor Jahren hinter der Doppelaxt fest verwurzelt war ist nicht mehr. Schon im Oktober vorigen Jahres habe ich bemerkt, dass der Baum scheinbar krank sein muss. Er wurde dermaßen zurückgestuzt und gab ein schauriges Schattenspiel in der Wiese ab, wenn die Sonne auf ihn schien.

 

Ich wähle den rechten Weg, der an diesem Entscheidungsplatz vorbeiführt in Richtung zum zweiten Torii. Das unwegsame Gestrüpp am linken Weg hatte mich doch etwas abgehalten und so begebe ich mich zum Ausgang. Ich trete, mit den Gedanken alles loszulassen in mir, durch das Torii und befinde mich vis a vis dem mohammedanischen Mausoleum, das erst vor ein paar Jahren errichtet wurde.

 

Plötzlich fühle ich mich leichter und unbelasteter und ich kann den Heimweg antreten. An der Aufbahrungshalle kommen mir plötzlich Gedanken hoch, die mich an meine größte Liebe meines bisherigen Lebens erinnern und die damit verbundenen Zusammenhänge.

 

Es kommt alles wieder hoch! Alles ist da, sofort in einem Bruchteil einer Sekunde die Beziehung zu einem verheirateten Mann, der größten Liebe seines und meines Lebens wie wir uns versicherten. Der Friedhof, dort wo wir uns gefahrlos treffen konnten, das Versteckspiel die ganze Zeit. Bilder von Paris tauchen auf, von Moulin Rouge mit ihm in Laffayet, dem Eifelturm der noch immer an meiner Wand hängt, der Flughafen Roissi, die Air-France, die mit dem Champagner einschenken nicht nachkam und Montmartre. Die letzten 3 französischen Bourdeaux im Cafe l´Oper neben der alten Oper in Paris, wo wir den anderen beim Austern schlürfen zusahen und bis zum Abflug um 9.30 Uhr bis 7.30 Uhr verbrachten. Die Champs Ellisee rauf und runter gerannt sind. Die Stunden in meiner Wohnung, die vielen Wanderungen am Schneeberg und auf der Rax und dann……..

 

Dann fällt mir sofort auch die Maßnahme meiner Familie ein, als ich nach zweieinhalb Jahren Beziehung bemerken musste, dass eine Aussage wie …. Ich lasse mich scheiden und wir werden ein gemeinsames Leben führen, nie wahr wurde! Mich in eine schwere Depression und einen ausgewachsenen Nervenzusammenbruch versetzte und meine Familie mich so quasi ruhigstellte, indem sie mich in die psychiatrische Anstalt der Baumgartner Höhe einliefern ließ, nachdem ich meinen Liebeskummer nur mehr mit Weinkrämpfen bekämpfen konnte.

 

Sechs Wochen, sechs lange Wochen ohne meinen damals erst drei Jahre alten Sohn, ohne heim zu dürfen. Als man mich dort einlieferte, wurde ich durch Medikamente ruhig gestellt. Erst nach Stunden wurde mir erst so richtig bewußt wo ich war und wollte meinen damaligen Freund anrufen. Er hob nicht ab, war nicht mehr erreichbar für mich und ich hatte das Bedürfnis, abzuhauen. Es gelang mir nicht! Ich wurde von Pflegern und Schwestern gepackt und mit Beruhigungsspritzen niedergespritzt. Drei Tage später wurde ich munter als mich meine damalige Arbeitskollegin besuchen kam und fand mich in einem Gitterbett wieder. Heute nennt man das wohl Freiheitsberaubung! Mein Sohn verblieb die gesamte Zeit bei seiner Großmutter väterlicher Seite und als ich ihn abholte sprach er sie bereits mit Mama an und ich war fast eine fremde Person für ihn!

 

Bis zum heutigen Tag kann ich mich an die Vorkommnisse dieser drei Tage nicht erinnern was mit mir passierte und ich empfinde heute noch Empathie für Menschen, welche unter kurzfristiger Amnäsie oder auch Gedächtnisverlust leiden. Es ist unsagbar schlimm nicht zu wissen, was einem in drei Tagen wiederfahren ist.

 

Inzwischen habe ich so in Gedanken versunken den Ausgang des Friedhofes erreicht und wische mir den Regen aus dem Gesicht. Meine Haare und meine Kleidung ist nass. Ich bin nass auf meinem ganzen Körper und ich beschließe, die letzten zwei Kilometer nicht mehr zu Fuß weiterzumaschieren, sondern die Straßenbahn zu nehmen.

 

Es dauert auch nicht lange und eine Straßenbahn der Linie 6 fährt in die Station ein. Ich steige ein und blicke auf die anderen Fahrgäste, denen der Regen scheinbar schwer zu schaffen macht. Nachdem sich die Straßenbahn in Bewegung setzt, muss ich plötzlich schmunzeln, dass ich mich an so viele Begebenheiten aus meinem Leben in so kurzer Zeit erinnern konnte. Die zweite Station steige ich aus, nachdem ich den Halteknopf gedrückt hatte, der ein eigenartig lautes Geräusch von sich gab.

 

Die letzten zweihunderfünfzig Meter sind auch schnell gegangen, da ich bergab gehe und es nun etwas leichter nur mehr regnet.

 

Daheim angekommen trockne ich mir erstmals mein Gesicht und entledige mich der pitschnassen Kleidung, öffne meine Haare, die durch den Regen noch unbändigbarer sind als vorher. Doch durch das zwanzig minütige Training der rechten Schulter, kann ich mich mehr bewegen und als ich unter die Dusche mich stelle und meine Haare wasche, fällt mir auf, dass meine rechte Schulter plötzlich nicht mehr schmerzt.

 

Um den Rest noch loszulassen, der mich bedrückt sehe ich den Schaum meiner Haare im Abfluss verschwinden und bin mit mir zufrieden.

 

Doch dann geschieht etwas, was ich nicht vorhersehen konnte. Ein Automatismus lässt mich einen kleinen Klick tätigen und es bedrückt mich der nachfolgende Briefwechsel doch wieder mehr, als mir lieb ist.

 

Und wieder ist es mir nicht ganz gelungen alles loszulassen, was ich loslassen wollte, doch wie soll ich die Liebe loslassen, wenn ich das Gefühl habe dadurch auch mich loszulassen oder aufzugeben und meine Liebe zu mir zu verlieren?